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Liebe Leserin, lieber Leser unseres Gemeindebriefes, 

seit  dem  1.  August hat sich der Weißbachweg in Markranstädt  zu einer Bilderbibel entwickelt. Auf insgesamt ca. 50 Metern Zaun- und Mauerfläche  haben professionelle  Graffiti-Sprayer ein Auftragswerk angebracht. 

Neben Tags finden sich Kirchenfenster  mit christlichen  Motiven  –  Kreuz, Kelch,  Kerzen, Brot,  Weinbeeren, Taube. Besonders dominant sind die Begriffe Glaube, Hoffnung und Liebe –  Seelenspeise in barrierefreier Schrift, wie die Graffiti-Künstler es nannten, also  altersunabhängig lesbar. 

 

Liebe  und  Hass formen die Menschheit seit Jahrtausenden. Und ganz bewusst wird die Liebe von Paulus im 1. Korintherbrief deshalb als die Größte  bezeichnet. Weil  allein die Liebe in sich die Kraft trägt, neues Leben hervorzubringen. Anders als  der Hass, der dem Gehassten ans Leben will. Die Liebe überwindet  die  Angst, die  uns  befällt, während  wir  umdenken. Der Hass denkt am liebsten immer das Gleiche und phantasiert vom Tod der Gehassten. Die Liebe hingegen ermöglicht Geburt, braucht einen geschützten Ort. 

Sich umzuorientieren ist wie eine Geburt. Da ist man tastend, verletzlich. Man muss alte Vorstellungen und Muster lassen und sich in neuen Vorstellungen und Mustern zurechtfinden. Das geht nicht ohne Schmerzen. Einsicht in nicht mehr Entsprechendes, in Verkehrtes schmerzt immer. Weil uns auch Verkehrtes ans Herz gewachsen sein kann. Das gilt im Großen wie im Kleinen. Veränderung kann nicht ohne Schutz geboren werden. Deshalb müssen wir liebevoll miteinander umgehen, wenn es Unsicherheiten  gibt. Und nicht die Gunst der Stunde nutzen,  um  draufzuhauen. Wie das im Krieg geschieht. 

Wer mitten in Herausforderungen nur darauf beharrt, alte Überzeugungen zu Festungen auszubauen oder sich gerade jetzt zu beweisen, der wird verlieren. Nur wer mitten in Herausforderungen zur Geburt eines neuen Hinsehens gelangt, der kann Veränderungen gestalten. 

Mit  anderen Worten: Die Liebe kann unser Denken locker halten. Und unser Herz bewahren. Sie schafft uns Freiraum, indem wir getrost umdenken können. Hier allein ist Bleibendes. Mitten auf unserem Weg in den Herausforderungen unserer Zeit. 

Was sagt die Liebe? Die Liebe zu Gott? Die Liebe zu anderen? Die Liebe zu uns selbst? Fragen, die uns ein Aufgabenfeld umreißen. Möge uns die Bilderbibel  in  gewaltigen Ausmaßen  am Weißbachweg zu dieser Aufgabe ein Mutmacher sein.

Ihr Pfarrer Michael Zemmrich

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